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Kuli ist Kult

Eine Liebeserklärung an ein unauffälliges Genie: Kugelschreiber sind die Könige der Werbeartikel

Gut 500 Millionen von den kleinen Freudenspendern wurden im vergangenen Jahr von den Geschäftsleuten unter das Volk gebracht.

Gut 500 Millionen von den kleinen Freudenspendern wurden im vergangenen Jahr von den Geschäftsleuten unter das Volk gebracht.

Die Welt wird zunehmend digitaler. Doch da gibt es ein Relikt aus alten Tagen, das sich wehrhaft und trotzig den neuen Zeiten widersetzt. Und das mit großem Erfolg. Das muss ihm die PC-Tastatur erst einmal nachmachen: auch rund 80 Jahre nach seiner Erfindung ist der Kugelschreiber nicht totzukriegen. Ganz im Gegenteil. Unerlässlich ist dieses schlichte, preiswerte und langlebige Schreibgerät, wenn es darum geht, schnell die Telefonnummer einer Flirt-Bekanntschaft zu notieren, den Einkaufszettel zusammenzustellen oder die Eckdaten aus einer Anzeige für die neue Wohnung aufzuschreiben. Wer seine Gedanken rasch auf Papier festhalten möchte, der kommt an diesem immer noch unerlässlichen Alltagsutensil nicht vorbei. „Hat mal jemand einen Kuli?“ Dieser Ruf wird so schnell nicht verhallen. Während der Füllhalter die „Haute Couture“ darstellt, ist der Kugelschreiber „Prêt-à-porter“ – unkompliziert, bequem und für jeden erschwinglich. Satte 8,50 US-Dollar mussten Amerikaner im Jahr 1945 noch für einen Kugelschreiber hinblättern. In Deutschland wurden die ersten Exemplare 1950 für etwa 20 Mark verkauft. Heute ist der Kugelschreiber ein Massenprodukt, das freizügig verteilt wird. Gut 500 Millionen von den kleinen Freudenspendern wurden im vergangenen Jahr von den Geschäftsleuten unter das Volk gebracht. Im Durchschnitt hat jeder Deutsche 13 von ihnen zu Hause und rechnerisch erhält er 6,2 neue Kugelschreiber pro Jahr hinzu. Und in den meisten Fällen gibt er dafür kein Geld aus, denn der Kuli ist der König der Werbegeschenke. Die mit Botschaften versehenen Stifte werden von kleinen Handwerksbetrieben genauso genutzt wie von DAX-Unternehmen. Sie stehen bei politischen Parteien hoch im Kurs, aber auch bei staatlichen Behörden, Sportvereinen oder Religionsgemeinschaften. Ob zur Eröffnung des ersten Bank-Kontos, während des Wahlkampfs in der Fußgängerzone, nach der Untersuchung beim Zahnarzt oder zum runden Firmenjubiläum. Kaum eine Branche kommt ohne die kleinen, schreibenden Werbebotschafter aus. Es gibt kaum einen Anlass, bei dem sie nicht zum Einsatz kommen. Bei den Streuartikeln sind und bleiben sie der ungeschlagene Spitzenreiter. Kein Wunder: Kugelschreiber mit Aufdruck haben einen großen Nutz- und Erinnerungswert. Und, nicht zu vergessen: jeder bekommt gerne ein Geschenk.

Ein Evergreen in Sachen Werbung

Andreas Hennig aus Suhl – Er ist Vorsitzende des Clubs der Kugelschreibersammler.

Andreas Hennig aus Suhl –
Er ist Vorsitzende des Clubs der Kugelschreibersammler.

Der Präsident des Gesamtverbandes der Werbeartikelwirtschaft (GWW e.V.) weiß: „Werbeträger Nummer eins ist immer noch der Kugelschreiber“, wird Patrick Politze in einem Interview mit dem Weser Kurier im April des vergangenen Jahres zitiert. Und das hat seine Gründe: Durch den vielfachen Gebrauch des Geschenks kommen die neuen Besitzer im Gegensatz zu anderen Werbemitteln freiwillig und häufig mit der Werbebotschaft in Kontakt. Der Kuli findet in jeder Tasche Verwendung und erinnert seinen Besitzer noch Jahre später an den Überbringer des Geschenkes – also das Unternehmen. Außerdem: Häufig wechselt der Kugelschreiber zwischenzeitlich seinen Besitzer, weil er wie bei einem Automatismus gedankenverloren eingesteckt wird. Für den vormaligen Eigentümer mag das nicht so erquickend sein, doch für den Werbenden schon. Überträgt sich die zu verbreitende Botschaft doch nun auf einen potentiellen Neukunden. Auch kommt das typische „Aus den Augen, aus dem Sinn“ wie es bei TV-Spots oder Plakaten der Fall ist, bei diesem Tabellenersten der Werbeartikel im Kleinformat kaum zum Tragen. „Das alles macht den Kugelschreiber zu einem äußerst wirksamen und zudem kostengünstigen Werbeträger, mit dem man ein großes Publikum erreichen werden kann. Auch ist man flexibel, denn ihn gibt es in der Luxusversion für besondere Kunden genauso wie als 18-Cent-Artikel für die breite Masse.

Selbst im Zeitalter moderner Kommunikation via SMS und E-Mail hat der Kugelschreiber nichts von seiner Beliebtheit eingebüßt.

Selbst im Zeitalter moderner Kommunikation via SMS und E-Mail hat der Kugelschreiber nichts von seiner Beliebtheit eingebüßt.

Ein Flaschenöffner beispielsweise könnte dies in Gänze niemals leisten“, kennt sich Andreas Hennig aus Suhl aus. Er ist der Vorsitzende des Clubs der Kugelschreibersammler. Während es etwa in Dänemark oder den Niederlanden mehrere Vereine gibt, ist der Club in Deutschland mittlerweile der einzige, der sich der Obsession des Kultgegenstandes verschrieben hat. Aktuell sind in ihm 84 Mitglieder vereint. Eine davon war Angelika Unverhau aus Dinslaken, die viele Jahre im Guinness-Buch der Rekorde stand. Die derzeit größte bekannte Sammlung in Deutschland besitzt Manfred Weber aus Schönböcken in Schleswig-Holstein mit rund 230.00 Stück. Von diesen Kennern und Liebhabern werden limitierte Auflagen wie Raritäten gehandelt – und besonders geschätzt. Wie etwa ein nur in geringer Stückzahl produziertes Schreibset eines ehemaligen thüringischen Ministerpräsidenten, das Andreas Hennig wie seinen Augapfel hütet. „Es gibt alle möglichen Facetten von Sammlern. Manche sind auf der Jagd nach reinen Werbekulis, andere sammeln nur bestimmte Hersteller-Marken oder Modelle. Wieder andere haben sich spezifische Themen verschrieben“, erklärt der Club-Vorsitzende. Doch sie alle eint: Die Faszination Kugelschreiber.

Sympathieträger mit authentischen Botschaften

„Der Kunde schließt von der Qualität des Give-aways auf das beworbene Produkt oder das Unternehmen“, erklärt James Adler, Geschäftsführer von Adler Werbegeschenke in Saarbrücken.

„Der Kunde schließt von der Qualität des Give-aways auf das beworbene Produkt oder das Unternehmen“, erklärt James Adler, Geschäftsführer von Adler Werbegeschenke in Saarbrücken.

Kugelschreiber gehören zu den Give-aways, wie es der Fachmann nennt. Dazu gehören all die kleinen Dinge, die Unternehmen tagtäglich verschenken: vom Eiskratzer bis zum Luftballon. Weil das Werbegeschenk auch immer mit dem Unternehmen verbunden wird, ist ein direkter Imagetransfer möglich. So lassen sich Attribute vom Geschenk auf den Geber übertragen. Doch hier besteht auch eine Gefahr. Damit diese kleinen Präsente beim Kunden ankommen, muss die Qualität stimmen. Ein Stift darf nicht beim ersten Einsatz auseinanderfliegen, schlecht schreiben oder unwohl in der Hand liegen. Das schadet der beworbenen Marke mehr, als er ihr nützt. „Denn der Kunde schließt von der Qualität des Give-aways auf das beworbene Produkt oder das Unternehmen. Geht ein Werbeartikel schnell kaputt, fällt das auf die werbende Firma zurück. Und die Beschenkten sagen sich: Die paar Cent dafür hätten sie sich auch sparen können“, erklärt James Adler. Der Geschäftsführer von Adler Werbegeschenke in Saarbrücken weiß, wovon er spricht. Die Firma personalisiert hochwertige Werbeartikel für Kunden in aller Welt. Und das seit über 65 Jahren. Rund 20 Millionen Werbekugelschreiber verkaufte das Unternehmen im vergangenen Jahr alleine in Europa – wobei auf Deutschland etwa 7,5 Millionen entfallen. Dabei ist für die Experten klar ersichtlich: „Mehrere Faktoren entscheiden über Wohl, Wehe und Wirkungsrichtung von Werbeartikeln: Nützlichkeit, Aktualität, Originalität, Qualität und optimale Ansprache der Zielgruppe“, schreibt der Promotion-Manager Edwin Wimmelbacher in seinem Artikel im Wirtschaftsmagazin der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Und er meint hier weiter: „Je passgenauer ein Werbeartikel auf die Empfängergruppe abgestimmt wurde, desto nachhaltiger wirkt er“. Auch sollten Unternehmen beim Imagetransfer besonderen Wert auf Authentizität legen. Setzt man sich für die Umwelt ein, sind Bleistifte oder Kugelschreiber aus naturbelassenem Recycling-Karton besser geeignet als ein Schreibgerät aus Metall. Ein Erfolgskriterium ist hier auch der Brückenschlag zwischen Give-away und Botschaft. Aufmerksamkeit wecken und im Gedächtnis bleiben – das ist die Devise. So kann ein hochwertiger Kugelschreiber für einen Bauunternehmer die selbstbewusste Aussage „Wir schreiben für Sie Baugeschichte“ vermitteln. Und ein anderer mit eingebauter LED-Taschenlampe wird durch die Veredelung „Heller, schneller, professioneller“ zum Türöffner für einen Reparaturbetrieb. Mit kleinen Dingen wie einem Kuli werden dann große Botschaften mit einer durchschlagenden Wirkung verbreitet.

Der Siegeszug eines Gebrauchsgegenstands

Der Beschenkte erinnert sich später nicht nur an den Artikel selbst, sondern auch an das werbende Unternehmen. Das sagten zumindest 78 Prozent der Befragten.

Der Beschenkte erinnert sich später nicht nur an den Artikel selbst, sondern auch an das werbende Unternehmen. Das sagten zumindest 78 Prozent der Befragten.

Der Vater des Werbe-Klassikers war ein echter Tausendsassa. László Bíró hieß er. Er war Journalist, Maler, Rennfahrer, Hypnotiseur und eben Erfinder. Im April 1938 ließ sich der Ungar das Patent auf den Kugelschreiber eintragen, das noch heute im Keller des Budapester Patentamtes aufbewahrt wird. Ihn nervte es, dass er ständig den Füller mit Tinte auffüllen musste. Die Form, Beschaffenheit als auch die Tinten-Formel des Schreibgerätes unterlagen seither ständigen Veränderungen. Es wurde sogar ein Kuli speziell für die Raumfahrt entwickelt, der in jeder Lage schreibt. Heute werden multifunktionale Kugelschreiber mit einem Stylus zum Navigieren auf einem Touchscreen, mit einer integrierten Taschenlampe, mit Laserpointer oder mit einem eingebautem USB-Stick angeboten. Der Fantasie, den Kuli mit anderen funktionellen Eigenschaften anzureichern, sind kaum Grenzen gesetzt. Aber ob Bíró schon damals die Sogkraft seiner Erfindung als Werbemittel überblickte? Kaum vorstellbar … Doch heute sind die meisten von uns bereits von Kindesbeinen an mit den Werbeartikeln vertraut. Geschenke und Aufmerksamkeiten von Firmen sind für viele schon immer dagewesen – als nette Zugabe, als Treue-Prämie oder einfach nur als Erinnerungsstütze. Laut Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft wurden im Jahr 2014 3,48 Milliarden Euro für Werbeartikel ausgegeben. „Das Marktvolumen für Werbeartikel ist in den letzten zehn Jahren gestiegen. Nur für Fernsehwerbung wird in Deutschland noch mehr Geld ausgegeben“, erklärt Patrick Politze in dem schon genannten Zeitungsartikel. Insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen generieren den größten Teil des Umsatzes der Werbeartikelbranche. Annähernd 80 Prozent werden durch diese Firmen bewegt. Der durch die DIMA Marktforschung GmbH im Auftrag des GWW durchgeführte Werbeartikel-Monitor untersucht den Stellenwert von Werbegeschenken als Kommunikationsmittel. Dabei wird in einer repräsentativen Stichprobe der Werbeartikel-Einsatz in deutschen Unternehmen unter die Lupe genommen und die Rolle von Werbegeschenken im Kontext zu anderen Kommunikationsmitteln gesetzt. Die Studie aus dem Jahr 2014 brachte ans Licht: Mit 95 Prozent hat fast jeder deutsche Konsument einen Werbeartikel bei sich zu Hause und 93 Prozent benutzen ihn fast sogar täglich – 59 Prozent sogar sehr gerne. Auch erinnert der Beschenkte sich später nicht nur an den Artikel selbst, sondern auch an das werbende Unternehmen. Das sagten zumindest 78 Prozent der Befragten.